Gesundheit in Unternehmen

von Robin Kreide

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Ob Bewegungsschulen oder Stressmanagement-Seminare: Angesichts alternder Belegschaften kümmern sich immer mehr Unternehmen um die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch die Gesundheitsregion Göttingen hat sich intensiv diesem Thema angenommen.

 

Auf seine körperliche und psychische Gesundheit zu achten, ist nicht nur im Privaten wichtig. Das wissen auch immer mehr Unternehmen und setzen zunehmend auf das sogenannte betriebliche Gesundheitsmanagement, kurz BGM. Dieses geht über den klassischen Arbeitsschutz, der in erster Linie darauf abzielt, Arbeitsunfälle zu verhindern, weit hinaus.

Was dem einzelnen Arbeitnehmer gut tut, dient auch dem Unternehmen: Betriebliches Gesundheitsmanagement sorgt auf lange Sicht für eine höhere Rentabilität und weniger Krankheitstage.

Bereits heute ist klar, dass BGM in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird, denn der demografische Wandel sorgt für ein zunehmend höheres Durchschnittsalter der Belegschaften. Damit wird auch die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigen, die mit kleineren oder größeren gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen haben. Nur Unternehmen, die sich präventiv dem Thema Gesundheit widmen, können rechtzeitig gegenzusteuern.

Seit Anfang 2015 befasst sich auch eine Arbeitsgruppe der Gesundheitsregion Göttingen unter Leitung des Mediziners Dr. Thomas Suermann mit den Themen Prävention und BGM. Mitglieder der Arbeitsgruppe stellten im April beim 10. Gesundheitsforum erste Ergebnisse vor.
Die Northeimer Landrätin Astrid Klinkert-Kittel eröffnete die Veranstaltung, die in der HELIOS-Klinik Northeim stattfand, mit den Worten: „Der demografische Wandel macht uns alle nicht jünger, und wir müssen etwas für unsere Mitarbeiter tun, damit sie uns noch lange und gesund im Betrieb erhalten bleiben.“

Dr. Suermann zeigte in seiner Eröffnungsrede anhand mehrerer Studien, dass durch gutes BGM die Arbeitsunfähigkeitszeiten um bis zu 40 Prozent gesenkt werden können. Laut einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover seien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich eine halbe Stunde Sport absolvierten, außerdem körperlich um bis zu 15 Jahre jünger.

Viele Unternehmen haben die Vorteile von BGM bereits erkannt. Insbesondere große Betriebe und Konzerne haben Gesundheitsförderung zu einer wichtigen Managementaufgabe gemacht. Die meisten kleinen und mittleren Unternehmen der Region jedoch nutzen die Möglichkeiten der BGM noch nicht ausreichend – sei es aus Zeitmangel oder fehlendem Bewusstsein für die Bedeutung des Themas.

Dass es auch Ausnahmen gibt, beweist das Beispiel des Göttinger Dachdeckerbetriebs Hampel Bedachungs GmbH. Seit Herbst letzten Jahres nimmt das Unternehmen an einem Trainings- und Informationsprogramm teil, das von der Kreishandwerkerschaft mitentwickelt wurde. Der Name des Programms bringt die Situation in vielen Handwerksbetrieben auf den Punkt: „Fit statt fertig“ trifft einen Nerv.

„Auch bei uns zwickte es viele im Rücken, im Schulterbereich und natürlich im Knie, dem Hauptbelastungspunkt der Dachdecker“, sagt Jan-Eric Loy, einer der beiden Geschäftsführer des Unternehmens. „Das Angebot fanden wir daher sofort sinnvoll. Wichtig war für uns allerdings, dass es von der Rentenkasse und einzelnen Krankenkassen bezuschusst wurde. Ohne diese finanzielle Unterstützung hätten wir nicht teilnehmen können.“
Auch die Teilnahme am Programm in die kältere Jahreszeit zu legen, war für das Unternehmen wichtig. Schließlich geht die Saison für das Dachdeckerhandwerk mit den ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr sofort los und reicht bis in den frühen Herbst. „In dieser Zeit haben wir derartig viel zu tun, dass wir für BGM keine Zeit haben“, sagt Loy.

Das Programm bestand aus zwei Teilen. Während im ersten Teil einmal pro Woche Training angesagt war, gab es im zweiten Teil Gesundheitsberatung zu Themen wie Stress, Ernährung und Nikotinabhängigkeit.

Insgesamt nahmen 10 von 25 Mitarbeitern teil. „Dass es nicht mehr waren, liegt schlicht daran, dass einige Mitarbeiter bereits regelmäßig im Fitnessstudio trainieren oder sonstigen Sport ausüben, um sich körperlich fit zu halten“, erklärt Loy. Auch die beiden Geschäftsführer machten mit. „Mit gutem Beispiel voranzugehen, war wichtig“, sagt Loy, der nicht glaubt, dass seine Mitarbeiter für das Programm anderweitig so leicht zu begeistern gewesen wären.

Absolviert wurde das Training beim Göttinger Gesundheitsdienstleister promotio. „Im Vorfeld kam die Trainerin zu uns und ließ sich über unseren Arbeitsalltag und die damit verbundenen Hauptbelastungszonen informieren. So konnte das Training gezielt auf den Dachdeckerberuf ausgerichtet werden“, erläutert Loy. „Anschließend wurden die Teilnehmenden nach ihren Beschwerdebildern in drei Gruppen eingeteilt: Schulter, Knie, Rücken. So trainierte jeder Mitarbeiter nur den Bereich, der für ihn auch wirklich relevant war.“ Zusätzlich gab es eine Beratung und Übungen, mit denen verdeutlicht wurde, welche Haltung auf dem Dach vorbeugend besonders knie- beziehungsweise rückenschonend ist.
Mit eingebunden in das Programm war ein Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft, der über den Einsatz aktueller technischer Hilfsmittel informierte, mit denen sich gezielt für Entlastung der betroffenen Körperbereiche sorgen lässt.

Im zweiten Teil des Programms gab es unter anderem Ernährungstipps. Schließlich gibt es für Dachdecker keine Kantine, in der gesundes Essen serviert wird. Stattdessen ist jeder Mitarbeiter auf der Baustelle für sich selbst verantwortlich. Jan-Eric Loys Fazit: „Für uns Dachdecker dient Essen in erster Linie als Energiezufuhr für eine anstrengende körperliche Tätigkeit. Wichtig war daher noch einmal der Hinweis, dass man neben den Kalorien auch an die Vitamine und andere Nährstoffe denken sollte.“

Auch das Thema Rauchen wurde behandelt, obwohl alle Mitarbeiter um die damit verbundenen Gefahren wussten. Im Zentrum stand daher die Frage, wie man nachhaltig damit aufhört. Ein Referent der Universitätsmedizin Göttingen gab hierzu Tipps.
Ebenfalls im zweiten Teil des Programms wurde das Thema Stress behandelt. Denn egal ob Ärger mit Lieferanten, Bauherren, Vorgesetzten oder schlichtweg der Zeitdruck bei der Fertigstellung eines Bauprojektes – neben der körperlichen Anstrengungen stehen Dachdecker wie heutzutage fast alle Bauberufe auch sonst vielfältig unter Druck. „Tipps, wie man diesen im Vorfeld möglichst vermeidet und auftretenden Stress bewältigt, waren daher für uns alle hilfreich“, sagt Loy.

Insgesamt lief das Programm acht Monate. „In dieser Zeit konnte wir einiges auf die Beine stellen. Auch die Anzahl der Wiederholungen war ausreichend, um das Gelernte langfristig zu verankern“, findet Loy, der BGM mittlerweile als wichtigen Teil der Betriebsführung betrachtet. „In einigen Jahren“, ist er sich sicher, „werden wir ein ähnliches Programm mit den dann neu hinzugekommenen Mitarbeitern wiederholen.“

Robin Kreide

Robin Kreide gibt gemeinsam mit Dagmar Pairan das Magazin in göttingen heraus, ein regionales Magazin für Menschen im besten Alter. Mit seinem Unternehmen Pairan + Kreide berät er außerdem Unternehmen und Institutionen rund um die Themen Öffentlichkeitsarbeit und Content Marketing.

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